In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Konsolidierung des neoliberalen Wirtschaftsmodells in Lateinamerika einschneidende Folgen gezeigt: Die Märkte wurden zunehmend liberalisiert, die Rolle des Staates bei der Bereitstellung und Verwaltung von Gütern und Dienstleistungen wurde minimiert, und die intensivierte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zum Zwecke des Exports wurde zur tragenden Säule des makroökonomischen Wachstums erhoben.
Steigende Nachfrage nach Wasser und Energie
Vor diesem Hintergrund kam es zu einer spürbar steigenden Nachfrage des rohstoffabbauenden Sektors nach Wasser und Energie. Die südamerikanischen Länder gerieten unter den Druck der internationalen Finanzinstitutionen, ihre Wirtschaftspolitik auf die Schaffung von günstigen Bedingungen für die extraktive Industrie auszurichten und mögliche Hindernisse oder Barrieren für die intensive Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zu beseitigen.
Chile ist in dieser Hinsicht ein Pionierland und wird in der Region als Vorbild für die Implementierung einer Politik angesehen, die die lateinamerikanischen Länder in den internationalen Markt integrieren soll, auch wenn diese Integration die erneute Ausrichtung der Wirtschaft auf den primären Sektor beinhaltet. Diese Rolle des Landes in der Region steht in direktem Zusammenhang mit dem politischen Prozess, der in den 1970er und 1980er Jahren von Unternehmerseite und von der Regierung der Vereinigten Staaten vorangetrieben wurde.
Im Unterschied zu seinen Nachbarländern wurde die Politik der Marktöffnung, der Förderung der Auslandsinvestitionen, der Zurückdrängung des Staates und der Liberalisierung der Dienstleistungen in Chile schon in den 1980er Jahren durchgesetzt, also unter der Herrschaft der Militärdiktatur. Dieses Phänomen wird begreiflich, wenn man bedenkt, dass die Maßnahmen zur Durchsetzung des neoliberalen Modells in abhängigen Ländern mit einem hohen Grad an Armut äußerst unpopulär sind. Deshalb wurde der Ausnahmezustand unter einem autoritären Regime genutzt, um die Privatisierungsmaßnahmen „ungestört“ von sozialen Konflikten und Protesten durchsetzen zu können.
Das „chilenische Wunder“ – ein Experiment
Verschiedene Autoren haben auf den „experimentellen“ Charakter des neoliberalen Modells in Chile hingewiesen, welches erst nach drei Dekaden des Funktionierens unter staatlicher Aufsicht – und unter Unsichtbarmachung der sozialen und Umweltkosten – als nachahmenswertes Beispiel für die demokratischen Regierungen der Region aufgestellt werden konnte.
Seit den 1990er Jahren dient das „chilenische Wirtschaftswunder“ als Referenzpunkt für die Regierungen der lateinamerikanischen Länder, die nun Politiken und Reformen der Strukturanpassung unter dem Label einer „Modernisierungsstrategie“ verfolgen. Letztere beruht auf fünf Säulen: auf einem nachhaltigen Prozess der wirtschaftlichen Öffnung, der Privatisierung des Aktivvermögens des öffentlichen Sektors, der Deregulierung des Binnenmarktes für Güter und Dienstleistungen, der Transnationalisierung des Zugangs zu natürlichen Ressourcen sowie der Schaffung eines „Klientelstaates“.
Die Zivilgesellschaft spielt keine Rolle
Der Umgang mit den Wasservorkommen ist ein für diese Tendenz emblematischer Vorgang. Die Gesetzesreform von 1981 hat in Chile ein System der Wasserwirtschaft hervorgebracht, das der Dynamik des freien und deregulierten Marktes gehorcht. Der Staat hat seinen Einfluss auf die Gestaltung und Verwaltung der Wassernutzung eingebüßt und die Zivilgesellschaft und die Gemeinschaften spielen praktisch keine Rolle mehr. Diese noch unter der Diktatur verabschiedete Reform wurde von der Bevölkerung kaum wahrgenommen und führte zu einer raschen Konzentration des Eigentums an Ressourcen in den Händen von nationalen und internationalen Privatfirmen – ein System, das bis heute fortbesteht. (...)
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